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Georg Brentano und sein Park in Frankfurt-Rödelheim - eine Familiengeschichte / Kapitel VI.

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Einen Berufsabschluß hat er nie gemacht. Jedoch war er immer beschäftigt. Er hat z.B. eifrig bei der Rödelheimer Baugenossenschaft mitgewirkt, er fuhr nach Frankfurt zu den Sitzungen der Guaita-Stiftung, er übernahm Vormundschaften, er war auch in den Rödelheimer Gemeinderat gewählt worden. Er war immer an aller Politik sehr interessiert, man kann sagen, er lebte für das Zentrum. Heute fragen mich meine Kinder, was das denn gewesen sei, das Zentrum? Die Partei erhielt ihren Namen nach ihren Plätzen in der Mitte des Sitzungssaales im Reichstag. Nach verschiedenen vorangegangenen Parteigründungen wurde sie 1870 entgültig als Partei der Mitte gegründet. Sie spielte vor allem im Bismarckschen Kulturkampf eine große Rolle, im Gegensatz zu der Nationalliberalen Partei, die auf eine romfreie, dem Staat unterworfene katholische Kirche hoffte. Es kamen natürlich viele Fakten zusammen, die ich hier nicht alle aufzählen kann. Man kann sich heute kaum ein Bild davon machen, wie weit die neuen Gesetze gegen die Kirche gingen. Verbot des Jesuitenordens und anderer Orden, die Unterstellung aller Schulen unter staatliche Aufsicht. Durch Alter oder Tod freiwerdende Pfarrstellen durften nicht wieder besetzt werden. So blieben viele Geistliche bis ins allerhöchste Alter, kaum mehr fähig einen Gottesdienst zu halten. Die Hildesheimer Mutter hat später zu ihrer Tochter gesagt: „Hoffentlich bist Du richtig getauft worden“. Schließlich war ein Viertel der preußischen Pfarreien verwaist. Bischöfe und Papst lehnten die „Maigesetze“ ab. Es kam zu Geldstrafen und mehrere Bischöfe kamen ins Gefängnis.

Dennoch wurde der Widerstand der katholischen Bevölkerung nicht gebrochen. Die Stimmen und Mandate der Zentrumspartei nahmen sehr stark zu. Unter Leo XIII. kam es zu Verhandlungen und die Gesetze wurden nach und nach wieder abgebaut. Nur die Vorschriften für die Zivilehe blieben bestehen.

Leider hing es der Zentrumspartei immer an, eine katholische Partei zu sein, so daß viele Kräfte der Mitte sich den Deutschnationalen anschlossen. Während der ersten Jahre des Weltkrieges ruhten die Parteikämpfe, entsprechend dem Ausspruch Wilhelm II.: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche.“

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