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Unter Mutters aufgeschriebenen
Erinnerungen gibt es ein Extraheft. Es beginnt mit dem Satz: „Es unterhält
mich, alle erlebten Weihnachtsfeste vor mir erstehen zu lassen, und
dadurch mein Leben rückblickend zu überschauen“.
Sie hat dies tatsächlich, wie an der
Schrift erkenntlich, in mehreren Zeitabschnitten, bis zum Jahre 1969
durchgeführt. Wie ich aus Briefen der älteren Generation bereits gesehen
hatte, spielten die Weihnachtsgeschenke eine große Rolle. Wahrscheinlich
erfüllte man sich damals im Lauf des Jahres keine Wünsche, sondern es
musste dann Geburtstag sein oder eben das Weihnachtsfest den Anlaß geben.
Auch ich denke gerne an die
Weihnachtsfeste im Elternhaus zurück. Die Vorweihnachtszeit war ausgefüllt
mit Geschenkemachen, sei es für die Eltern, Patenonkel oder Patentante.
Einmal stellte Bernd in Laubsägearbeit einen kleinen Ständer für Briefe
her. Auf der Vorlage war vorne eine Brieftaube drauf. Da Bernd das
geliehene Bastelbuch hatte zurückgeben müssen, konnte er die Taube nicht
mehr abpausen. Deshalb pauste er statt dessen ein Schweinchen aus einem
Bilderbuch ab und klebte es vorne drauf, worüber es amüsierte
Bemerkungen gab. Doch der Briefständer stand jahrelang auf Mutters
Schreibtisch. – Beim Ausstechen des Buttergebäcks durften wir helfen.
Wir nannten es Plebsgebäck, weil bei der großen Menge, die gebacken
werden musste, nicht der Butteranteil, sondern der Mehlanteil sehr
gewachsen war. Alles Andere spielte sich in großer Heimlichkeit ab. Der
24. war ein Tag, der gar kein Ende nehmen wollte. Die von Bernd und mir
aus Glanzpapierringen geklebte Kette für den Tannenbaum war längst
fertig und immer war es noch nicht dunkel. Bis dann endlich das
Weihnachtsglöckchen bimmelte, die so lange verschlossene Tür sich öffnete,
der Tannenbaum uns entgegenstrahlte, und wir uns vor der Krippe aufstellen
durften.
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