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Georg Brentano und sein Park in Frankfurt-Rödelheim - eine Familiengeschichte / Kapitel III.

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Brief des Berliner Museumsdirektors an Georg Brentano. Er ist das Begleitschreiben zu den Notizen über Etienne Chevalier und Jean Fouquet.

      Ew.Wohlgeb. hatten die Güte, mir vor drei Jahren eine genaue Beschauung der vortrefflichen Miniaturen zu gestatten, welche Sie besitzen. Da mein Studium mich auf die Betrachtung einer großen Anzahl von Denkmahlen ähnlicher Art geführt hat, ist es mir gelungen, den Maler ihrer Bilder mit Bestimmtheit zu ermitteln. Bei dem Interesse, welches ich hierfür bei Ihnen voraussetzen darf, bin ich so frei, noch vor der Publikation meiner Kunstreise durch England und Frankreich Ihnen einiges mitzuteilen.

In der königl. Bibliothek zu Paris befindet sich eine französische Übersetzung der Geschichte der Juden von Josephus (manuscripts francais Nr. 6891) welche in einem Folioband auf Veranlassung des Herzogs Jean de Berry, Sohn des Königs Johann von Frankreich, ungefähr zu Anfang des 15. Jahrhunderts geschrieben worden ist, wie aus dem kürzlich von Barrois herausgegebenen Katalog seiner berühmten Bibliothek erhellt. Dieses Manuscript ist mit 14 Miniaturen geschmückt, in der 4. Miniatur und in allen übrigen fand ich zu meiner großen Freude in allen Teilen dieselbe Hand wieder, welche ich in der Folge bei Ihnen bewundert hatte. Über die Bilder gibt nun folgende Inschrift nähere Kunde: "Icy ce livre a douze ystores, les troys premieres de l'enlumineur de duc Jehan de Berry et les neuf de la main de bon paintre et enlumineur du Roy Loys XI. Jehan Fouquet natif de Tours." Hierdurch wird die Zeit der Bilder ziemlich genau bestimmt. Da Ludwig XI. von 1461-1483 regierte, müssen sie in diesen Zeitraum fallen. Hierdurch erhellt sich zugleich die Gleichzeitigkeit mit Ihren Miniaturen, indem der Besteller derselben, Etienne Chevalier, im Jahre 1474 gestorben ist. - Ich bemerke noch, daß der Ausdruck "peintre et enlumineur" besagt, daß dieser Mann auch Maler in größeren Dimensionen gewesen ist, wie auch das merkwürdige Bild in Ihrem Besitz beweist.

Die neun Miniaturen in dem genannten Manuscript gelten in Paris mit Recht für das Schönste, was die so reiche Bibliothek an Miniaturen besitzt. Irrig werden die Miniaturen in verschiedenen anderen Manuscripten derselben Bibliothek demselben Meister beigemessen. Obschon solche eine auffallende Verwandtschaft zeigen, so sind doch bei Weitem weniger geistreich und lebendig und nur insofern merkwürdig, als sie beweisen, daß die Art und Weise des Fouquet zahlreiche Nachfolger gefunden hat.

Genehmigen Ew. Wohlgeb. gütigst die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung, womit ich dir Ehre habe zu zeichnen Ew. Wohlgeb. ganz erebenster

Diener Waagner, Direktor der Gemäldegalerie des Königl. Museums.

Berlin den 4. Sept. 1836

(etwas gekürzt.)

 

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